Wenn wir heute eine Yoga-Matte ausrollen, dann geschieht oft so viel mehr, als der Körper auf den ersten Blick zeigt. Yoga ist Bewegung, ja. Yoga ist Atmen. Yoga ist das Finden von innerer Ruhe in einer lauten Welt. Doch an seinem Ursprung ist Yoga noch viel umfassender. Bevor überhaupt eine einzige Haltung entsteht, beginnt der Yoga-Weg im Inneren – bei der Haltung, mit der wir uns selbst und dem Leben begegnen.
Step 1 auf dem Yoga-Weg: Yamas
Genau hier setzen die Yamas und Niyamas an. Zwei uralte Sammlungen von Lebensprinzipien, die schon in den Yoga Sutras von Patanjali beschrieben wurden. Sie sind keine strengen Regeln, keine zu befolgenden Gesetze. Vielmehr sind sie wie freundliche Wegweiser, die uns immer wieder sanft daran erinnern, worauf es ankommt, wenn wir ein erfülltes, achtsames Leben führen möchten.
Die Yamas richten unseren Blick auf das, was zwischen uns und der Welt geschieht. Wie gehen wir miteinander um? Mit Tieren, der Natur, den Dingen, die uns begegnen? Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, die Kunst, nicht zu nehmen, was nicht freiwillig gegeben wird, Mäßigung und das Loslassen von Anhaftung – das sind die fünf Pfeiler, die unser Handeln im Außen inspirieren.
Schritt 2 auf dem Yoga-Weg: Niyamas
Die Niyamas dagegen wenden sich nach innen. Sie laden uns ein, die Beziehung zu uns selbst zu gestalten. Mit Klarheit, Zufriedenheit, Disziplin, Selbstreflexion und einer Prise Vertrauen ins Leben. Sie erinnern daran, dass das, was wir im Außen erleben, immer ein Spiegel unserer inneren Welt ist.
In einer Zeit, die so oft auf höher, schneller, weiter setzt, fühlen sich diese Prinzipien an wie eine Erleichterung. Keine Checklisten zum Abhaken, sondern ein Angebot: weniger zu müssen, mehr zu sein. Es geht nicht darum, perfekt zu werden. Es geht darum, wach zu sein. Für die kleinen Momente, in denen wir bewusst wählen können – für Mitgefühl statt Härte, für Wahrhaftigkeit statt Anpassung, für Vertrauen statt Kontrolle.
Was vielleicht alt und fremd klingt – Begriffe wie Ahimsa, Satya, Aparigraha – wird plötzlich ganz lebensnah, wenn wir sie mit dem Herzen lesen. Wer hat nicht schon gespürt, wie sehr wir uns selbst Gewalt antun können, wenn wir innerlich hart und fordernd mit uns umgehen? Wer kennt nicht das kleine, leise Ziehen, wenn wir nicht ehrlich zu uns selbst sind? Und wer hat noch nie an Dingen festgehalten, von denen er eigentlich längst weiß, dass sie gehen dürften?
Yoga lädt uns ein, diese Muster nicht zu verurteilen, sondern sie zu erkennen – und in kleinen Schritten anders zu wählen. Sanfter, freier, wahrhaftiger.
Wie wir Yamas und Niyamas im Studio leben
Bei be yogi wollen wir genau diesen Geist spürbar machen. Nicht nur auf der Matte. Nicht nur während einer Stunde. Sondern in der gesamten Atmosphäre, in allem, was wir tun und anbieten.
So finden sich die Yamas bei uns wieder
- Gewaltlosigkeit beginnt bei uns damit, dass jeder Mensch willkommen ist – so wie er oder sie ist. Unabhängig von Beweglichkeit, Erfahrung oder Alter. In unseren Räumen soll niemand etwas darstellen müssen. Hier darf geatmet werden, geübt, gelacht, innegehalten. Ohne Urteil, ohne Leistungsgedanken.
- Wahrhaftigkeit bedeutet für uns echte Begegnung. Authentische Kommunikation – zwischen Lehrer:innen und Teilnehmer:innen, zwischen uns im Team, zwischen Herz und Herz. Das bedeutet auch: Wir geben zu, wenn wir nicht alles wissen. Wir erlauben uns, ehrlich zu sein, statt perfekt.
- Die Idee von Nicht-Stehlen spiegelt sich darin wider, dass wir achtsam mit Ressourcen umgehen. Mit Materialien, Energie und vor allem mit der Zeit und Aufmerksamkeit unserer Community. Nichts soll aufgezwungen werden, kein überflüssiges Konsumieren, keine Erwartung, irgendetwas erfüllen zu müssen.
- Mäßigung bedeutet bei uns, den Fokus auf das Wesentliche zu richten. Unsere Angebote sind klar und liebevoll ausgewählt. Wir überfordern nicht, sondern schaffen Raum für echte Tiefe.
- Und das Loslassen – das vielleicht schwierigste Prinzip – spiegelt sich in unserem Vertrauen, dass jeder seinen eigenen Weg geht. Wir halten keine Menschen fest. Wir glauben, dass die wertvollste Verbindung jene ist, die freiwillig entsteht und sich immer wieder neu entfaltet.
Auch die Niyamas weben sich durch unser Studioleben.
- Reinheit beginnt bei kleinen Dingen: achtsame Gestaltung der Räume, liebevolle Pflege, ein feines Bewusstsein dafür, wie Umgebung unser Inneres prägt.
- Zufriedenheit wächst durch Dankbarkeit: dafür, dass wir hier gemeinsam sein dürfen, dass sich immer wieder neue Verbindungen ergeben.
- Disziplin taucht nicht als Zwang auf, sondern als Einladung: dranzubleiben, selbst an Tagen, an denen die Matte schwer ruft.
- Selbststudium lebt in kleinen Impulsen: Gedanken zum Mitnehmen nach der Stunde, Inspirationen zum Weiterwachsen, ganz ohne Druck.
- Und Hingabe? Die fließt durch alles. Im Vertrauen darauf, dass jede:r in seinem eigenen Tempo wächst. Dass Transformation nicht erzwungen werden muss, sondern sich entfaltet, wenn der richtige Raum dafür da ist.
Wir verstehen be yogi nicht als Ort, an dem etwas erreicht werden muss. Sondern als einen lebendigen Raum, in dem sich etwas entfalten darf. Einen Raum, der daran erinnert, dass Glück nicht darin liegt, etwas zu tun oder zu haben, sondern darin, bewusster zu werden. Im eigenen Atem, im eigenen Herzschlag, im eigenen Sein.
Vielleicht sind die Yamas und Niyamas am Anfang leise. Vielleicht braucht es ein wenig Zeit, sie wirklich zu hören. Aber dann, irgendwann, spürt man sie: diese sanfte, ruhige Kraft, die durch jede bewusste Entscheidung fließt. Die uns immer wieder erinnert: Yoga ist kein Ziel. Yoga ist ein Weg. Und auf diesem Yoga-Weg gehen wir gemeinsam.