Schon vor Jahren hat mich ein Kollege aus dem Projektmanagement einmal gefragt: „Willst du immer nur die Hühner einfangen, anstatt den Zaun zu reparieren?“ Damals hat mich die Frage eher geärgert – meine Antwort war für mich schließlich völlig klar: Natürlich muss ich die Hühner einfangen, beziehungsweise eben das akute Problem für unsere Kunden lösen. Doch eigentlich hatte mein Kollege absolut recht. Ich rannte die ganze Zeit Einzelfällen hinterher, die ich zwar beheben konnte – aber das wirkliche Problem, das dem Ganzen zugrunde lag, blieb bestehen. Und noch mehr: Ich habe sogar versucht, die Effizienz des „Einfangens“ zu erhöhen, statt die Ursache zu beseitigen. Zum Beispiel, indem ich standardisierte Mail-Texte schrieb, die ich allen Kunden auf einmal senden konnte. Das war zwar schneller – aber eben nicht nachhaltig.
Was also wäre besser gewesen? Eigentlich müsste ich einen Schritt zurücktreten, die Situation von oben betrachten, erst einmal tief ein- und wieder ausatmen – und mich dann fragen, was ich wirklich will. Und die Antwort ist eindeutig: Ich möchte nicht jeden Tag möglichst geschickt Hühner einfangen. Ich möchte, dass sie gar nicht erst ausbrechen. Also muss ich den Zaun reparieren! So löse ich das Problem nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft und an der Wurzel – also effektiv.
Effizienz vs. Effektivität – meine alltäglichen Hühner
Warum ich dir das erzähle? Weil du diese Dynamik bestimmt auch kennst aus deinem Leben. Ich jedenfalls ertappe mich selbst immer wieder dabei, die Hühner-Einfängerin zu sein. Kommt dir das vielleicht auch bekannt vor:
- Im Büro zum Beispiel merke ich, wie viele kleine Flurgespräche sich um das gleiche Thema drehen, statt dass ich ein kurzes effektives Meeting anberaume, in dem alle auf denselben Stand gebracht werden.
- Zuhause beobachte ich mich, wie ich regelmäßig die Unordnung in der Wohnung beseitige, statt ein langfristiges Ordnungssystem einzuführen und mit meiner Familie verbindliche Regeln abzusprechen.
- Ich überstehe wiederkehrende Migräneanfälle, indem ich Schmerzmittel nehme oder mich für einen Tag zurückziehe, statt wirklich zu hinterfragen, woher die Kopfschmerzen kommen.
Du merkst: Zu viel Fokus auf Effizienz kann gefährlich sein. Denn dann laufen wir vielleicht perfekt organisiert immer tiefer in die falsche Richtung – und entfernen uns mehr und mehr von dem, was wir eigentlich wirklich wollen (und brauchen).
Ayurveda & das rechte Maß
Im Ayurveda gibt es die Prinzipien Samyoga (das richtige Zusammenfügen) und Kala (das richtige Timing).
Effizienz bedeutet hier: Ich finde die schnellste Möglichkeit, ein Symptom zu lindern, etwa wenn ich Müdigkeit mit Kaffee bekämpfe. Ayurveda kennt durchaus solche Tipps für akute Situationen – zum Beispiel bestimmte Gewürze bei Verdauungsproblemen oder einfache Atemübungen bei Stress. Doch das allein reicht nicht.
Denn im Ayurveda geht es am Ende immer um die effektive und nachhaltige Lösung. Ich schaue tiefer auf die Ursache – vielleicht ein Dosha-Ungleichgewicht – und setze dort an, etwa durch bessere Tagesrhythmen, typgerechte Ernährung oder Abendroutinen. Ziel ist es, nicht nur die Hühner immer wieder einzufangen, sondern den Zaun zu reparieren: also an der Wurzel zu wirken, damit ich dauerhaft in meine Balance zurückfinde.
Effizienz & Effektivität im Yoga
Auch auf der Matte zeigt sich der Unterschied deutlich: Effizienz bedeutet, meine Asana-Praxis präzise, geordnet und energiesparend zu gestalten. Effektivität hingegen heißt, dass meine Praxis einem höheren Ziel dient – zum Beispiel innerer Klarheit, Selbstkenntnis oder spiritueller Entwicklung. Mir geht es während einer Yoga-Stunde nicht darum, dass ich jede Haltung, jeden Übergang perfekt ausführen kann. Natürlich möchte ich mich so bewegen, dass es meinem Körper nicht schadet, und dafür ist eine gute Ausrichtung wichtig. Aber wirklich effektiv wird die Praxis für mich erst, wenn sie mich ins Hier und Jetzt bringt, mich mit Atem und Bewusstsein verbindet, meine Gedanken zur Ruhe kommen lässt und so zur Meditation in Bewegung wird.
Auch in den Yamas und Niyamas des Patanjali taucht dieses Prinzip auf: Werte wie Ahimsa (Gewaltlosigkeit), Satya (Wahrhaftigkeit) und Svadhyaya (Selbstreflexion). Effizient, aber nicht ethisch wäre, wenn ich den schnellsten Weg finde, mein Ziel zu erreichen – vielleicht auf Kosten anderer oder ohne innere Ausrichtung. Effektiv im yogischen Sinne heißt, dass mein Handeln einem größeren Ganzen dient: meinem Wohl, dem Wohl meiner Gemeinschaft und im Einklang mit universellen Prinzipien.
Es ist aber nicht so, dass die Effizienz von Tätigkeiten im Yoga-Kontext irrelevant wäre. Dem Prinzip Asteya (Nicht-Stehlen) zu folgen, ist zum Beispiel eine Art, effizient und effektiv zugleich zu leben. Ich stehle weder anderen noch mir selbst wertvolle Zeit und Energie, indem ich sinnlose Tätigkeiten vermeide und sinnvolle Tätigkeiten möglichst ressourcenschonend umsetze.
Wie finde ich die Balance zwischen Effizienz und Effektivität?
Effizienz bedeutet für mich das Wie: Tue ich etwas geschickt, energiesparend, geordnet? Effektivität bedeutet das Was und Warum: Tue ich das Richtige im Einklang mit meinem Dharma, meiner Gesundheit, meiner Umwelt?
Und wie immer geht es darum, in ein Gleichgewicht zu kommen. Effizienz und Effektivität sind wichtig. Aber manchmal ist es gar nicht so einfach – vor allem in einer akuten, stressigen Situation – den richtigen Mittelweg zu finden. In diesen Momenten hilft es, jemanden von außen dazuzuholen, der den weiteren Blick hat und das passende Werkzeug mitbringt, um den Zaun möglichst effizient zu reparieren. Genau dafür gibt es bei be yogi Ayurveda-Beratungen mit mir und auch ZUM GLÜCK COACHING mit Ulla.
PS: Das gemalte Yoga-Küken hängt übrigens bei meinen Eltern in der Wohnung. Ein Bruder von Michael hat es ihnen geschenkt. Wenn du auch einen kleinen Reminder brauchst, dass es nicht immer um wilde Hühner geht, dann kannst du dir diesen Wandkalender für 2026 kaufen.