Heute Morgen habe ich verschlafen. Das passiert mir eigentlich nie, denn normalerweise springt mein „innerer Wecker“ gegen 4:10 Uhr an – ganz von selbst. Ich stehe täglich um diese Zeit auf, sogar am Wochenende, und zur Sicherheit habe ich noch einen Handywecker auf 4:30 Uhr gestellt. Heute jedoch hat es keiner dieser Wecker es geschafft, mich rechtzeitig aus dem Schlaf zu holen, und ich bin erst um 6:40 Uhr aufgewacht. Ups. Ich habe den ganzen Tag gespürt, wie sehr das meine innere Uhr aus dem Takt gebracht und meine Routinen gestört hat. Deswegen nehme ich das nun zum Anlass, über unsere innere Uhr aus ayurvedischer Sicht, die sogenannte Dosha-Uhr, zu schreiben.
Der Biozyklus der ayurvedischen Dosha-Uhr
Im Ayurveda gehen wir davon aus, dass unsere Körperfunktionen stark vom Wechselspiel der Doshas (Vata, Pitta, Kapha) beeinflusst werden. Diese Doshas folgen im Tagesverlauf einem bestimmten Zyklus, der sich am Sonnenaufgang und -untergang orientiert. Die Uhrzeiten sind dementsprechend ein bisschen abweichend, je nachdem wo du wohnst und welche Jahreszeit gerade herrscht, aber grundlegend kann man den Tag in folgende Phasen unterteilen:
- 6:00 – 10:00 Uhr: In dieser Zeit dominiert Kapha, das für Stabilität und Ruhe steht. Sattva wird im Ayurveda oft mit Klarheit und Ausgeglichenheit verbunden.
- 10:00 – 14:00 Uhr: Hier zeigt sich Pitta, das für Feuer, Energie und Stoffwechsel steht. Rajas bedeutet Aktivität und Dynamik.
- 14:00 – 18:00 Uhr: In diesen Stunden dominiert Vata, das Leichtigkeit, Kreativität und Bewegung verkörpert.
- 18:00 – 22:00 Uhr: Kapha wirkt hier eher in seiner trägeren Ausprägung (Tamas), das heißt, der Körper fährt langsam herunter, wird ruhiger.
- 22:00 – 2:00 Uhr: In der Nacht übernimmt Pitta erneut, allerdings unter dem Einfluss von Tamas – während wir ruhen, verarbeitet unser Körper jedoch aktiv Nahrung, Erlebnisse und Eindrücke.
- 2:00 – 6:00 Uhr: In den frühen Morgenstunden wirkt Vata in seiner klaren, leichten Ausprägung. Viele Menschen werden hier von intuitiver Kreativität oder einem natürlichen Weckimpuls begleitet.
Was rät deine innere Uhr zu welcher Tageszeit?
Aus ayurvedischer Sicht macht es Sinn, den eigenen Tagesablauf – wann immer möglich – an die natürliche Rhythmik der Doshas anzupassen.
Die Kapha-Zeit zwischen 6.00 und 10.00 Uhr gilt dabei als Phase der Ruhe und Stabilität, in der sanfter Sport, Yoga- oder Meditationsübungen sowie ein nährendes Frühstück sehr gut geeignet sind. Gleichzeitig eignet sie sich, um den Tag in Ruhe zu planen, bevor am späten Vormittag das feurige Pitta übernimmt. Zwischen 10.00 und 14.00 Uhr ist unser Verdauungsfeuer besonders stark, weshalb sich hier die Hauptmahlzeit des Tages empfiehlt. Auch anspruchsvolle mentale oder körperliche Aktivitäten fallen in diesen Zeitraum leichter, da unser Geist und Körper auf Leistung eingestellt sind.
In der Vata-dominierenden Zeit zwischen 14.00 und 18.00 Uhr sind Kreativität und Leichtigkeit besonders präsent. Wer in diesen Stunden Brainstorming betreibt, liest, schreibt oder auch gern kleine Pausen einlegt, kann von der dynamischen Vata-Energie profitieren. Am späten Nachmittag empfiehlt es sich zudem, regelmäßig an die frische Luft zu gehen oder sich leichter zu bewegen, um den Körper in Balance zu halten. Gegen Abend, ungefähr zwischen 18.00 und 22.00 Uhr, herrscht wiederum Kapha, jedoch in seiner beruhigenden Ausprägung. Der Organismus fährt langsam herunter, und es ist ratsam, den Tag mit entspannenden Tätigkeiten abzuschließen. Ein leichtes Abendessen und wenig anregende Beschäftigungen unterstützen den Körper und Geist dabei, zur Ruhe zu kommen.
Ab 22.00 Uhr setzt erneut eine Pitta-Phase ein, die sich allerdings im Schlafgeschehen eher auf Regeneration und Verdauung konzentriert. Schwere Mahlzeiten oder aufwühlende Aktivitäten am späten Abend bringen diese wichtige Erholungszeit aus dem Takt. Schließlich folgt gegen 2.00 Uhr erneut eine Vata-Phase, in der viele Menschen von tiefer Klarheit oder einem intuitiven Weckimpuls berichten. Wer in dieser Phase aufwacht, kann von meditativen oder kreativen Tätigkeiten profitieren, bevor der Zyklus nach 6.00 Uhr wieder in die Kapha-Energie übergeht.
Mehr zu den Vorzügen von Routinen am Morgen und am Abend habe ich übrigens in einem anderen Blogbeitrag geschrieben. Dort findest du auch einige Inspirationen und ayurvedische Vorschläge für deinen Alltag.

Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse – schnelle FAQ
Ja, das bestätigen zahlreiche Studien aus der Chronobiologie. Die Gene spielen bei unserem Chronotyp eine Rolle. Ungefähr ein Drittel aller Menschen ist tendenziell eher „Lerche“ (Frühaufsteher), ein weiteres Drittel ist „Eule“ (Spätaufsteher), und der Rest liegt irgendwo dazwischen. Aus ayurvedischer Sicht würde man sagen, dass verschiedene Dosha-Konstitutionen unsere Neigung zu frühem oder spätem Aufstehen beeinflussen können. Ein starkes Vata und Pitta macht häufig früh wach, während Kapha-Typen eher länger schlafen.
Chronobiologische Studien empfehlen, den eigenen Schlafrhythmus so regelmäßig wie möglich zu halten. Wer unter der Woche früh aufsteht und am Wochenende deutlich länger schläft, riskiert den sogenannten „Sozialen Jetlag“. Dein Körper kommt dann montags „auf Jetlag“ zurück in die Arbeitswoche. Aus ayurvedischer Sicht ist ein regelmäßiger Schlafrhythmus ebenfalls günstig, da er Kapha, Pitta und Vata in Balance hält und den natürlichen Biozyklus nicht durcheinanderbringt. Allerdings gilt es, das persönlich stimmige Maß zu finden – genug Schlaf und Erholung sind essenziell.
Aktuelle ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse betonen, dass ein zu spätes, schweres Essen die Schlafqualität beeinträchtigen kann. Auch Ayurveda empfiehlt, abends eher leicht zu essen, damit das Verdauungssystem nicht überlastet wird. Wer zu spät und zu deftig isst, bringt das nächtliche Pitta in Unruhe, was sich in häufigem Aufwachen oder einem unruhigen Schlaf äußern kann.
Künstliches Licht – vor allem blaues Licht von Bildschirmen (Smartphone, Laptop, Fernseher) – kann den normalen Melatoninspiegel senken und damit den Einschlafprozess verzögern. Die moderne Chronobiologie warnt vor zu viel Bildschirmzeit am Abend. Aus ayurvedischer Perspektive wirkt abends exzessiver Medienkonsum ebenfalls anregend (erhöht Rajas), statt zur Ruhe (Tamas in Balance) beizutragen. Sanfte Beleuchtung am Abend – am besten natürliches Licht wie Kerzenschein – fördert dagegen Entspannung und unterstützt einen natürlichen Schlafrhythmus.
Bewegung und frische Luft: Wer sich tagsüber genügend bewegt, schläft in der Regel besser.
Routinen finden, beispielsweise immer zur gleichen Zeit schlafen gehen und aufstehen – das beruhigt das Nervensystem.
Atemübungen und Meditation verringern Stress und können helfen, besonders die Vata-Energie zu harmonisieren, die gerne auch innere Unruhe verursachen kann.
Unsere innere Uhr ist nicht nur ein spannendes Phänomen, das man beim Verschlafen am eigenen Leib erfährt, sondern ein Zusammenspiel von biologischen Rhythmen, persönlicher Veranlagung (Chronotyp), und nach ayurvedischer Sicht dem Spiel der Doshas (Vata, Pitta, Kapha). Ein bewusster Umgang mit Schlaf- und Wachzeiten, Ernährung und Aktivitätsphasen kann uns helfen, ausgeruhter, ausgeglichener und gesünder zu leben. Es lohnt sich also, auf die eigene Dosha-Uhr zu achten.
PS: Einmal zu verschlafen bedeutet übrigens nicht, dass deine Doshas gestört und deine innere Uhr nun völlig aus dem Takt geraten ist. Ein einzelner Huster ist ja auch keine Erkältung. Vielmehr würde ich sagen, dass dein Körper einmal mehr auf Snooze gedrückt hat, als dein Geist es wollte – und wenn wir das akzeptieren, ärgern wir uns auch nicht darüber, dass wir heute vielleicht mal etwas weniger erledigen können. don’t worry, be yogi!