Als langjährige Läuferin und 500-Stunden AYA-Yogalehrerin habe ich immer wieder nach Wegen gesucht, Laufen und Yoga zu verbinden. Neben den Übungen für die Wirbelsäule, Hamstrings, Balance und Dehnung, über die wir schon gesprochen habe, habe ich für mich entdeckt, dass eine gezielte Verbesserung der Atmung beim Joggen entscheidend sein kann. Hier möchte ich teilen, wie Pranayama, die Kunst der Atemkontrolle aus dem Yoga, meine Laufleistung und Erholungsphasen revolutioniert hat.
Beim Laufen verbrauchen die Muskeln deutlich mehr Sauerstoff als im Ruhezustand. Eine effiziente Atmung ist daher essenziell, um den erhöhten Sauerstoffbedarf zu decken und gleichzeitig das Kohlendioxid effektiver auszuscheiden. Das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskeln, die Hauptakteure unserer Atemmuskulatur, können durch gezieltes Training gestärkt werden, was eine tiefere und effektivere Atmung beim Joggen, aber auch im Alltag, ermöglicht. Diese verbesserte Atmungsfähigkeit trägt wesentlich zur Steigerung der Lungenkapazität bei.
Meine Atmung beim Joggen: Ujjayi Pranayama
Ujjayi Pranayama, oft als „ozeanisches Atmen“ bezeichnet, war eine der ersten Techniken, die ich erlernte. Diese Technik, bei der man durch eine leicht verengte Kehle atmet, erzeugt ein beruhigendes Rauschen und hilft, die Atmung zu vertiefen und zu verlängern. Ich begann, Ujjayi während meiner Laufsessions zu praktizieren, und bemerkte bald, wie sich meine Atmungskontrolle und meine Ausdauer verbesserten. Die gleichmäßige und tiefe Atmung beim Joggen half mir, auch in schwierigen Phasen ruhig und fokussiert zu bleiben.
Das Wichtigste über Ujjayi Atmung in Kürze
- Was? Form der tiefen Brustatmung, aka yogische, siegreiche oder ozeanische Atmung.
- Wofür? Energie, Aufmerksamkeit und Leistungsbereitschaft steigern.
- Wann? Vor und während des Trainings.
- Wirkt wie? Stabilisiert den Körper, unterstützt eine aufrechte Haltung, trainiert die gesamte Atemmuskulatur, die beim Laufen stark gefordert wird.
Und so geht es:
- Finde einen aufrechten und bequemen Sitz, der sich für dich gut anfühlt.
- Beobachte einige Minuten deinen Atem, wie er natürlich fließt.
- Atme durch die Nase ein und aus, während deine Lippen leicht aufeinanderliegen.
- Wenn du so weit bist, verengst du deine Stimmritze (wie beim Flüstern) und atmest tief durch die Nase ein.
- Behalte die Luft (Kumbhaka), solange es sich für dich gut anfühlt.
- Atme ruhig und gleichmäßig mit leicht geschlossener Stimmritze wieder aus, ein, halte usw..
- Das rauschende Geräusch wird nicht in der Nase, sondern im Kehlkopf erzeugt.
Nadi Shodhana-Atmung (4-7-8) – nach dem Lauf und als Abendroutine
Nadi Shodhana oder die Wechselatmung führte ich in meine Post-Run-Routine ein. Diese Technik, die das abwechselnde Atmen durch jedes Nasenloch umfasst, hat mir geholfen, nach intensiven Läufen schneller zur Ruhe zu kommen. Besonders beeindruckend war die Wirkung auf mein Nervensystem – ich fühlte mich entspannter und meine Erholungszeiten verkürzten sich spürbar. Nadi Shodhana erwies sich auch als hervorragendes Tool zur mentalen Erfrischung, was mich insgesamt widerstandsfähiger, nicht nur gegenüber den Belastungen des Lauftrainings, machte.
Kurzer Steckbrief von Nadi Shodhana
- Was? Form der Wechselatmung, mit der es gelingt, den Energiefluss im Körper in Balance zu bringen.
- Wofür? EA links → Gehirnhälfte rechts (Ida) → Mondenergie (YIN); EA rechts → Gehirnhälfte links (Pingala) → Sonnenenergie (Yang).
Beide Gehirnhälften werden durch die Wechselatmung ins Gleichgewicht gebracht. Dies führt zu mehr innerer Ausgeglichenheit, Ruhe und Stärke. Die Konzentrationsfähigkeit wird geschärft und es gelingt besser, den Fokus und die Gedanken klar zu lenken. - Wann? Nach dem Training.
- Wirkt wie? Senkt die Herzfrequenz, hat eine ausgleichende Wirkung auf den Organismus und fördert dadurch die Regeneration.
Und so geht es:
- Finde eine für dich bequeme und aufrechte Sitzposition, zum Beispiel im Fersensitz oder Schneidersitz.
- Beobachte einige Minuten deinen Atem, wie er natürlich fließt.
- Halte die rechte Hand nach oben und bilde Vishnu Mudra (Zeige- und Mittelfinger beugen. Daumen, Ringfinger und kleiner Finger abspreizen). Wenn du Linkshänder bist, dann die linke Hand 😊
- Schließe mit dem rechten Daumen das rechte Nasenloch (achte darauf, dass dein Arm nicht am Brustkorb anliegt und dass dein Kopf nicht sinkt) und atme durch das linke Nasenloch ca. vier Sekunden tief ein.
- Schließe nun mit Ringfinger und kleinem Finger das linke Nasenloch und setze sieben
- Sekunden ein Kumbhaka (Atempause in der Fülle). Beide Nasenlöcher sind verschlossen.
- Öffne nun das rechte Nasenloch und atme acht Sekunden verlängert wieder aus. Die Ausatmung geschieht nur aus dem rechten Nasenloch. Das linke Nasenloch bleibt durch den Ringfinger verschlossen.
- Atme jetzt durch das rechte Nasenloch wieder ein. Zähle auf 4.
- Verschließe das rechte Nasenloch mit dem rechten Daumen. Setze erneut Kumbhaka auf 7.
- Hebe jetzt Ringfinger und kleinen Finger wieder an und atme auf 8 aus dem linken Nasenloch aus.
- Wiederhole die Übung einige Male mit jedem Nasenloch.
Persönliches Fazit zur Atmung beim Joggen und danach
Die Integration von Pranayama in meine Trainingsroutine hat nicht nur meine physische Ausdauer verbessert, sondern auch meine Regenerationsprozesse optimiert. Indem ich gezielt meine Atemmuskulatur trainiere, kann ich schneller zu voller Kraft zurückkehren und mich effektiver von den Strapazen erholen.
Darüber hinaus habe ich festgestellt, dass die Vorteile von Pranayama weit über eine verbesserte Atmung beim Joggen hinausgehen und sich positiv auf viele Aspekte meines täglichen Lebens auswirken. Durch regelmäßiges Atemtraining erlebe ich weniger Stress und eine tiefere Entspannung, was mir hilft, den Herausforderungen des Alltags gelassener zu begegnen. Meine mentale Klarheit hat sich verbessert, was sich besonders bei der Arbeit zeigt, wo ich mich besser konzentrieren und effizienter arbeiten kann.
Auch meine Energie und Vitalität haben sich gesteigert. Ich fühle mich über den Tag verteilt aktiver und lebendiger, was ich direkt auf die belebenden Pranayama-Übungen zurückführe. Zudem hat sich meine Schlafqualität verbessert, was ich besonders wertvoll finde. Abends wende ich entspannende Atemtechniken an, die mir helfen, schneller einzuschlafen und tiefer zu schlafen.
Ich habe auch bemerkt, dass meine Körperhaltung sich verbessert hat und ich weniger Rückenbeschwerden habe. Diese positive Veränderung bringe ich mit der bewussteren Kontrolle und Nutzung meiner Atemmuskulatur in Verbindung. Emotional fühle ich mich ausgeglichener und weniger anfällig für Stimmungsschwankungen, was ich ebenfalls den regelmäßigen Pranayama-Sitzungen zuschreibe.
Die Praxis der Pranayama hat also eine transformative Wirkung auf mein Leben gehabt, sowohl physisch als auch psychisch. Ich ermutige jeden, unabhängig von seiner sportlichen Aktivität, sich mit Pranayama zu beschäftigen. Es könnte eine wertvolle Ergänzung zu eurer täglichen Routine sein und euch helfen, eure Gesundheit und euer Wohlbefinden auf ein neues Level zu heben.