Alle Menschen tragen die drei Doshas Pitta, Vata und Kapha in sich. Allerdings sind diese drei bei uns allen etwas anders gewichtet und das führt dann dazu, dass wir unterschiedliche geistige und körperliche Fähigkeiten, Vorlieben, Abneigungen usw. haben. Diese Natur oder Grundkonstitution, die deinen Urzustand beschreibt, nennt man auf Sanskrit „Prakriti“. Heute möchte ich dir erzählen, wie deine Eltern vor und nach deiner Geburt einen maßgeblichen Einfluss darauf hatten, wie sich die fünf Elemente zu deiner Grundkonstitution zusammengesetzt haben. Außerdem: Vielleicht ist deine Prakriti doch gar nicht so in Stein gemeißelt, wie du denkst.
Die Prakriti ist dein Starter-Set
Im Ayurveda unterscheiden wir sieben verschiedene Konstitutions-Typen: Drei „reine“ Varianten, bei denen eines der Doshas dominiert, drei Mischformen mit zwei besonders hervorstechenden Doshas und „Tridosha“ (alle Doshas im Gleichgewicht, das ist aber sehr selten). Es ist nicht unser Ziel „Tridosha“ zu werden, sondern durch eine gesunde Lebens- und Ernährungsweise deine Prakriti in Balance zu bringen: Lebe deine Natur zufrieden aus und stärke deine positiven Seiten! Mehr zu den einzelnen Typen kannst du hier nachlesen.
Heute ist mir eine Glückwunschkarte in die Hände gefallen, auf die meine Mutter geschrieben hat „und wenn dir mal ein bisschen Pitta fehlt – ich habe es noch“. Als Mischtyp zwischen Pitta und Vata kann ich auf beide Fähigkeiten zurückgreifen, aber wenn ich mit Ulla zusammen bin, fällt es mir immer leichter, mein Pitta herauszuholen. Das liegt sicher auch daran, dass wir beide ein perfektes Beispiel für „Mataduhitar“ sind. „Mataduhitar“ ist ein Wort auf Sanskrit, für das es kein Pendant im Deutschen gibt, frei übersetzt bedeutet es „Einheit von Mutter und Tochter“.
Diese Einheit bilden meine Mutter und ich schon immer: Begonnen hat es mit meiner Geburt, denn ich feiere nur zwei Tage nach ihr meinen Geburtstag. Wir sehen uns nicht nur sehr ähnlich, sondern ticken in vielen Punkten auch fast identisch. Seit über 12 Jahren arbeiten wir zusammen. Wir gehen seit 14 Jahren als Yin und Young laufen – seit neustem als Laufbotschafter für den Baden-Marathon. Ich kann mir keinen besseren Mattennachbarn für die (tägliche) Yoga-Praxis vorstellen und fühle mich nicht in Balance, wenn sie nicht neben mir liegt. Wenn du „Mataduhitar“ einmal live erleben willst, kannst du uns ja mal in der Ayurveda- und Yoga-Shala-la in Karlsruhe besuchen kommen.
Faktoren, die deine Prakriti vor der Geburt beeinflussen
Manche Ayurveda-Ärzte sprechen davon, dass bis zu 80 % deiner Prakriti in der Zeit vor deiner Geburt schon festgelegt werden. Die wichtigsten Faktoren dabei sind:
- Konstitution der Eltern: Diese genetischen Faktoren sind körperlich sofort sichtbar, und es ist ja inzwischen auch nachgewiesen, dass die geistigen Qualitäten und späteren Charakterzüge zumindest teilweise angeboren bzw. vererbt sind.
- Ernährung und Lebensweise der Mutter: Nicht umsonst gibt es zahlreiche Tipps und Ratschläge für das richtige Verhalten während der Schwangerschaft. Ob moderne westliche Medizin, TCM, Ayurveda oder andere Naturheilverfahren – Ziel ist immer, die optimale Gesundheit der Mutter zu gewährleisten. Ayurveda spricht in diesem Zusammenhang von „rasa“. Das ist die „Lebenskraft“, die von der Mutter auf das ungeborene Kind übergeht und verantwortlich ist für das Wachstum, die Verbundenheit mit dem Körper, für Zufriedenheit, Energie und Ausstrahlung.
- Atmosphäre innerhalb des Uterus: Eng mit der Gesundheit der Mutter verbunden, aber noch weitreichender ist das, was das ungeborene Kind fühlt: die Atmung und Emotionen der Mutter sowie sanfte Impulse von außen wie zum Beispiel Berührungen des Bauches oder auch Stimmen von zukünftigen Familienmitgliedern. Deswegen ist es wichtig, ein Klima der Sorglosigkeit und des Glücks für den Embryo zu schaffen.
Wie die Zeit nach der Geburt die Grundkonstitution wirkt
Aber auch in den ersten Wochen nach der Geburt wirken verschiedene, äußere Faktoren auf die Prakriti des Neugeborenen ein. Kommt es in dieser Zeit zu negativen Erlebnissen, können sich diese sehr leicht in die Prakriti des Kindes einprägen oder schon in frühster Kindheit zu einem Ungleichgewicht der Doshas führen.
- Zeit der Geburt – Kala Prakriti: Die erste erlebte Jahreszeit ist sehr entscheidend. Kinder, die beispielsweise im Sommer auf die Welt kommen, haben häufig einen höheren Pitta-Anteil in Ihrer Konstitution.
- Familie – Kula Prakriti: Oft ist es so, dass eine Familie gemeinsam alle Doshas abdeckt – das sehe ich auch ganz klar bei meinen Eltern (Pitta und Kapha), meiner Schwester (Kapha-Vata) und mir (Vata-Pitta). So ist die Familie als Ganzes in einer guten Balance.
- Land bzw. Klima – Deshanupatini Prakriti: Ortsbedingte Faktoren wirken ähnlich wie die Jahreszeit bei der Geburt verstärkend auf die Qualitäten des Doshas, das vorherrschend ist.
- Lebensweise – Jati Prakriti: Die vorgelebten Rituale und Werte, das Verhältnis zu Sport und Ernährung, aber auch der Umgang mit Stress und anderen äußeren Faktoren prägen vor allem die psychische Prakriti. Hier spielt auch die soziale Schicht, die Gesellschaft und Kultur, in die ein Kind geboren wird, eine große Rolle.
Neues aus der Epigenetik: Also doch nicht alles vorbestimmt!
Heutzutage gibt es ein ganzes Wissenschaftsgebiet, das sich mit diesem Zusammenhang von Anlage (also den Genen) und den Einflüssen der Umwelt beschäftigt – die Epigenetik.
Um zu erklären, wie diese funktioniert, möchte ich ein kleines Beispiel anführen: Wenn sich eine Mutter während der Schwangerschaft hauptsächlich von fettigen und süßen Lebensmitteln ernährt und noch dazu eher zu viel isst, aktivieren sich bei dem Kind Gen-Bereiche, die das Sättigungsgefühl beeinflussen. So erhöht sich das Risiko, dass der Mensch später übergewichtig wird – und diese „eingeschaltete“ Eigenschaft dann auch seinerseits wieder weitervererbt. Das ist aber kein Muss! Wenn der Mensch dann später einen gesunden und vernünftigen Umgang mit Essen pflegt, kann er das Gen, das für ein gestörtes Sättigungsgefühl verantwortlich ist, wieder deaktivieren.
Es gibt erste wissenschaftliche Forschungen, um einen Zusammenhang zwischen regelmäßiger Yoga- und Achtsamkeitspraxis und der positiven Beeinflussung unserer Gene nachzuweisen. Die Vermutung ist, dass dadurch Gene aktiviert werden, die in Bezug zu unserer Fähigkeit zur Stressbewältigung (Resilienz), der psychischen Gesundheit und der allgemeinen emotionalen Stabilität stehen.
Du kannst also „don’t worry – be yogi“ nicht nur in deinen Alltag, sondern in deine Gene und eventuell auch in die deiner zukünftigen Kinder integrieren. Ist das nicht ein weiterer wunderbarer Grund, bald schon wieder auf die Matte zu steigen?