„Nicht kämpfen, sondern führen.“ Dieser Satz mag paradox klingen in einer Welt, in der viele Führungskräfte täglich Überzeugungsarbeit leisten, Entscheidungen durchsetzen und Konflikte managen müssen, so wie unsere Führungskraft mit ihrem Bericht von der Vertriebsfront in der Einleitung. Doch genau hier liegt die tiefe Weisheit von Ahimsa, dem ersten der fünf Yamas aus der Yoga-Philosophie. Gewaltlosigkeit ist nicht nur die Abwesenheit von Körperverletzung. Es ist eine ethische Haltung, eine gelebte Entscheidung für Verbindung, Respekt und Bewusstheit – auch und gerade im Berufsleben. Wer sie kultiviert, schafft eine Führungskultur, die nicht auf Kontrolle, sondern auf Vertrauen basiert.
Betreff: Wir halten die Stellung – Bericht von der Vertriebsfront
Liebe Kolleg:innen und Mitstreiter:innen,
unsere letzte Kampagne war ein voller Erfolg!
Wir haben unsere Stellung gehalten, Angriffsfläche minimiert und klare Signale an den Wettbewerb gesendet. Unser Key Account Team hat schlagkräftig verhandelt, das Backoffice stand wie eine Mauer hinter uns, und der Vertrieb hat erneut seine Zähne gezeigt. Jetzt heißt es: Fokus halten, Druck erhöhen und das Momentum nutzen. Wir bleiben auf Kurs – mit Biss und Entschlossenheit.
In diesem Sinne: Wir starten die nächste Offensive, nicht locker lassen!
Herzliche Grüße
deine Führungskraft
Ahimsa stammt aus dem Sanskrit und bedeutet „nicht verletzen“ oder „keinen Schaden zufügen“. Diese Gewaltlosigkeit gilt für Gedanken, Worte und Taten – sowohl anderen als auch sich selbst gegenüber. Im Yoga ist Ahimsa nicht nur moralische Richtlinie, sondern eine Einladung, das Leben in all seinen Formen zu würdigen. Es ist die Basis für Mitgefühl, Klarheit und Frieden. In der Praxis bedeutet das: Ich erkenne mein Gegenüber in seiner Ganzheit an, ohne vorschnell zu urteilen oder zu manipulieren. Ich wähle meine Worte mit Bedacht. Ich lerne, zu führen, ohne zu verletzen.
Gewaltlosigkeit bedeutet nicht ein Weichei zu sein.
Es bedeutet, die eigene Führungsrolle aus innerer Klarheit heraus wahrzunehmen, ohne Dominanz, ohne Einschüchterung, ohne verletzende Worte. Gewaltfreie Führung lebt vom Dialog auf Augenhöhe. Sie setzt voraus, dass ich als Führungskraft bereit bin, zuzuhören, zu reflektieren und mich selbst zu regulieren. Gerade in angespannten Situationen zeigt sich, ob ich reagiere oder bewusst antworte. Ahimsa lädt dazu ein, innezuhalten, einen Moment zu atmen und mich zu fragen: Dient meine Reaktion der Verbindung oder der Trennung?
Führungskräfte, die Ahimsa leben, schaffen eine Kultur der psychologischen Sicherheit. In solchen Kulturen entstehen Innovation, Vertrauen und intrinsische Motivation. Denn wo Menschen sich sicher fühlen, wagen sie, ihre Ideen zu teilen, Fehler zuzugeben und Verantwortung zu übernehmen. Es entsteht eine Atmosphäre, in der echtes Lernen und Wachstum möglich sind.
Die Vorteile sind vielfältig.
Mitarbeitende bleiben eher in einem Umfeld, in dem sie als Mensch respektiert werden. Konflikte werden früher erkannt und konstruktiv gelöst. Die Kommunikation wird klarer und ehrlicher. Und: Führungskräfte selbst erleben weniger Widerstand, weil ihre Haltung Vertrauen statt Misstrauen erzeugt. Es ist ein fundamentaler Perspektivwechsel: Weg vom „Ich weiß es besser“ hin zu einem „Ich bin bereit, gemeinsam zu lernen“.
Doch was entsteht, wenn Ahimsa fehlt?
In Unternehmen ohne gelebte Gewaltlosigkeit herrscht oft eine subtile Angstkultur. Fehler werden vertuscht. Kritik wird als Angriff verstanden. Entscheidungen werden nicht hinterfragt, sondern hingenommen oder blockiert. Solche Strukturen führen langfristig zu innerer Kündigung, Demotivation und steigender Fluktuation. Selbst Top-Talente verlassen das Unternehmen, wenn sie merken, dass sie ihre Meinung nicht offen äußern dürfen oder ihnen kein echtes Gehör geschenkt wird. Nicht zuletzt leidet auch die Führungskraft selbst: Wer ständig in Kampf- oder Verteidigungshaltung führt, verliert Energie und Wirksamkeit.
Wie aber lässt sich Ahimsa konkret in den Führungsalltag integrieren?
Ein erster Schritt ist das bewusste Innehalten. Statt impulsiv zu reagieren, hilft es, einen tiefen Atemzug zu nehmen und sich innerlich zu fragen: Was ist jetzt wirklich wichtig? Dient meine Handlung dem Ganzen?
- Journaling kann dabei helfen, wiederkehrende Muster zu erkennen. Mögliche Fragen: Wann war ich heute besonders achtsam in meiner Kommunikation? Wo habe ich unbewusst Druck ausgeübt oder jemanden verbal verletzt? Was hat mir geholfen, ruhig und klar zu bleiben?
- Meditation unterstützt dabei, das Nervensystem zu beruhigen und Mitgefühl zu entwickeln. Eine einfache Praxis: In Stille sitzen, den Atem beobachten und innerlich wiederholen: „Möge ich mit mir und anderen in Frieden sein.“
- Affirmation für den Alltag: „Ich wirke kraftvoll – ohne zu verletzen.“ Diese Haltung lässt sich vor einem wichtigen Gespräch oder Meeting bewusst verankern.
- Atemtechnik: Die Box-Breathing-Übung (4-4-4-4) ist ideal vor herausfordernden Gesprächen oder wenn du dich emotional aufgewühlt fühlst. 4 Sekunden einatmen, 4 halten, 4 ausatmen, 4 halten. Mehrmals wiederholen.
- Yoga, z.B. Balasana, die Kindhaltung, unterstützt dich darin, loszulassen und dich mit dem Boden zu verbinden. Komm auf die Knie, bring große Zehen zusammen, öffne die Knie mattenbreit, beuge dich nach vorne, leg die Stirn auf den Boden und strecke die Arme lang aus. Spüre mit jeder Ausatmung mehr Hingabe und Vertrauen.
- Alltagstipp: Beginne dein nächstes Team-Meeting mit einem Satz wie: „Ich möchte heute bewusst offen zuhören und verstehend statt beurteilend reagieren.“
- Achtsamkeitsübung: Setze dir für einen Tag das Ziel, niemanden zu unterbrechen. Lausche mit der Haltung: Ich will verstehen, nicht antworten.
Ahimsa ist nicht Schwäche. Es ist die Entscheidung für eine neue Führungsqualität. Eine, die nicht aus Angst, sondern aus innerer Kraft heraus wirkt. Eine, die Verbindung, statt Trennung schafft. Wer gewaltlos führt, kultiviert Menschlichkeit, Klarheit und Vertrauen. Und damit eine Basis, auf der sich Menschen und Unternehmen entfalten können.
Serie: Yamas und Niyamas im Business
Dieser Blogbeitrag ist Teil einer 10-teiligen Serie, in der wir alle Yamas und Niyamas in einen Business-Kontext setzen. Hier findest du die anderen Beiträge:
Zum Glück Coaching bei be yogi – Einladung zur gelebten Führungsethik
Wenn du Ahimsa als Führungsqualität nicht nur verstehen, sondern wirklich verkörpern möchtest, laden wir dich ein zum Zum Glück Coaching in Karlsruhe bei be yogi.
In unserem Coachingformat HappierMe arbeitest du an deiner persönlichen Haltung und Selbstführung – fernab von Selbstoptimierungsdruck, hin zu einem kraftvollen inneren Gleichgewicht. Mit HappierWe stärken wir die Dialogfähigkeit in Teams – für mehr Verständnis, Klarheit und Verbindung im Miteinander. Und mit HappierCompany begleiten wir Organisationen auf dem Weg zu einem neuen Miteinander, das auf Werte, Sinn und Vertrauen baut.
Das yogische Wertesystem bietet dabei nicht nur philosophische Tiefe, sondern konkrete Tools für eine neue Art des Führens – achtsam, integer und menschlich.
Erlebe dich selbst mit anderen Augen – und beginne deine Reise in eine neue Führungsrealität.